Labormanagement

Das Labormanagement umfasst alle Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit der effizienten und wirtschaftlichen Steuerung eines Labors stehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein technisches oder ein naturwissenschaftliches, pharmazeutisches oder medizinisches Labor handelt. Denn jedes Labor muss dazu beitragen, die wirtschaftlichen Ziele des Unternehmens, dem das Labor zugeordnet ist, zu unterstützen. Folglich gewinnen Automatisierung und Digitalisierung auch für das Labormanagement an Bedeutung.

Martina Hufschmidt, Absoventin des Masterstudiengangs Labor- und Qualitätsmanagement der htw saar in Koopperation mit dem Brachendienstleister Klinkner & Partner, hat sich dem Thema angenommen und analysiert, wie sich das Labormanagement in Zeiten der Industrie 4.0 entwickelt. Sie erreichen die Autorin Martina Hufschmid über ihr Profil auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/martina-hufschmid-1a7a5a114/

Digitalisierung im Privathaushalt

Unter dem Stichwort Internet der Dinge (IoT) hat die Digitalisierung bereits im Privathaushalt Einzug erhalten. Haushaltsgeräte, Uhren, Autos und vieles mehr können mit dem Smartphone oder Computer verknüpft werden und so in Echtzeit Informationen austauschen. Ein typisches Beispiel dafür sind die Fitnessuhren, welche laufend den Puls aufzeichnen, die Schritte zählen und den Schlaf überwachen. Dabei hat der Träger der Uhr jederzeit über das Smartphone Zugriff auf alle Live-Werte sowie die historischen Daten.

In wieweit lässt sich diese Technologie in einem Labor einsetzen? Die Definition von IoT sagt, dass es sich dabei um eine dynamische Infrastruktur in einem globalen Netzwerk handelt, welche über vollständig kompatible Standard-Protokolle kommunizieren. Dabei besitzen die physischen und virtuellen Objekte in diesem Netzwerk physische Attribute, virtuelle Persönlichkeiten, intelligente Schnittstellen, und sie sind transparent in das Netzwerk eingebunden (Saleh et al., 2018). Die Schwierigkeit dabei ist es, den befugten Personen einen einfachen Zugriff zu ermöglichen und trotzdem die Sicherheit gegenüber unerwünschter Manipulation zu garantieren.

Pharma 4.0

The Smart Factory“, „The Factory of the Future” und das industrielle „Internet der Dinge“ sind Schlagwörter, welche auf eine neue Art der Fertigungsindustrie hinweisen. Aber das Konzept lässt sich auf alle Branchen übertragen. So ist Pharma 4.0 ein ganzheitliches Betriebsmodell für pharmazeutische Unternehmen der Zukunft (Binggeli et al., 2018).

Die Fertigungsindustrie hat sich im Laufe der Zeit, wie in Abbildung 1 dargestellt, wesentlich verändert. Die Entwicklung der industriellen Revolution geht

  • von der Industrie 1.0, welche auf rein mechanischen Fertigungsmethoden beruhte und Wasserkraft und Dampf als Antrieb einsetzte,
  • über die Industrie 2.0, seit der es dank der Elektrizität möglich ist, Waren endlich in Massenproduktion herzustellen,
  • bis zur heutigen Industrie 3.0, bei welcher dank Computern und Automation viele Arbeitsabläufe programmierbar und automatisierbar geworden sind,
  • bis hin zur Industrie 4.0, bei der die Systeme in Echtzeit miteinander kommunizieren und beispielsweise übers Internet miteinander verbunden sind (Guilfoyle, 2018).
Labormanagement in der Zeit der Industrie 4.0

Abbildung 1: Die vier industriellen Revolutionen: Darstellung der industriellen Revolutionen von der Industrie 1.0, welche rein mechanische Arbeiten beinhaltete und nur Wasserkraft und Dampf als Antriebsmittel nutzte zur Industrie 4.0, auf welche wir uns heute zubewegen, bei der die Systeme in Echtzeit miteinander kommunizieren. Grafik übersetzt aus Guilfoyle (2018).

Radikale Veränderungen durch die Industrie 4.0

Industrie 4.0 bedeutet für die Unternehmen eine radikale Veränderung, welche zu einem neuen Level an Agilität und Flexibilität führen soll. Und diese Veränderung beinhaltet einige kritische Themen, welche die Unternehmen genau betrachten sollten, um den Schritt in die Industrie 4.0 erfolgreich absolvieren zu können und auch zukünftig marktfähig zu bleiben. Beispielhaft stellt die Abbildung 2 die sechs kritischen Bereiche dar, welche für die Entwicklung in Richtung Industrie 4.0 unbedingt zu analysieren sind. Daneben sind zu jedem Thema Strategien aufgeführt, welche den Unternehmen helfen sollen, sich schrittweise zu verändern.

Grundsätzlich ist es wichtig, die Voraussetzungen für die Digitalisierung zu schaffen, sei dies, wenn es um die Beschaffung von neuen Gerätschaften geht oder bei der Anstellung und Entwicklung von Mitarbeitern. Dabei ist materiell und intellektuell darauf hinzuarbeiten, dass sich die bestehenden Prozesse und Arbeitsabläufe verändern und ein großer Teil von neuen Prozessen digital ablaufen kann. Dabei ist besonders das Thema Cyber-Sicherheit zu beachten. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, ein «Center of Excellence» zu bilden, bei welchem Vertreter aus dem Produktionsbetrieb sowie der IT mitarbeiten, damit das Wissen von beiden Seiten vereint und genutzt werden kann (Frost & Sullivan, 2017).

Strategien für das Labor in der Industrie 4.0

Abbildung 2: Industrie 4.0, kritische Bereiche mit Umsetzungsstrategie: Die sechs kritischen Bereiche, welche bei einer Weiterentwicklung des Unternehmens in Richtung Industrie 4.0 betrachtet werden sollen und darunter Hinweise und Lösungsvorschläge, wie dies umgesetzt werden kann. Eigene Darstellung nach Frost & Sullivan (2017).

Industrie 4.0 und die Pharmaindustrie

Für die Pharmaindustrie stellt die Entwicklung zur Industrie 4.0 bzw. Pharma 4.0 – verglichen mit anderen Branchen – eine größere Herausforderung dar. Denn der Pharma-Bereich gehört zu den am striktesten regulierten Fertigungsbereichen (Frost and Sullivan, 2018). Aber die Konsequenzen aus der Industrie 4.0 gelten nicht nur branchenweit. Vielmehr lassen sie sich auch auf das Labormanagement übertragen.

Um Pharma 4.0 zu ermöglichen, müssen die regulatorischen Anforderungen diesbezüglich angepasst werden. Der Qualitätsmanagement Prozess basiert auf der ICH Q10 Guideline „Pharmazeutische Qualitätssysteme“, diese müsste für Pharma 4.0 mit «Elementen und Ermöglichern» erweitert werden.

Ein ganzheitliches Prozess- und Plattformverständnis setzt einen organisationsübergreifenden und interdisziplinären Wissensaustausch sowie die Integration aller GxP-relevanten IT-Systeme voraus. Die Labor IT setzt die Grundlage für die Sicherstellung der Datenintegrität aller relevanter Daten und vereinfacht und verbessert die Analyse der Daten. Diese wiederum bildet die neue Entscheidungsgrundlage, was besonders für hochautomatisierte Umgebungen und kontinuierliche Produktion interessant ist.

Anforderungen an die ICH Q10 Guideline für das Labormanagement

Damit dies möglich ist, müssen in der ICH Q10 Guideline neben den bereits geforderten Qualitäts-Elementen wie eines

  • Präventiv- und Korrekturmaßnahmen-Systems,
  • eines Änderungsmanagements und
  • eines Management Reviews

noch vier weitere Elemente hinzugefügt werden. Dabei handelt es im Bereich Ressourcen um die Digitalisierung und eine Belegschaft 4.0, welche verfügbar und qualifiziert ist. Zusätzlich sind im Bereich Informationssysteme eine ganzheitliche Integration des Wertschöpfungsnetzwerks mit Rückverfolgbarkeit zu integrieren. Und im Bereich Organisation und Prozesse ist eine ganzheitliche Kontroll-Strategie für das Lebenszyklus-Management hinzuzufügen. Schließlich braucht man im Bereich Kultur die Etablierung einer Kommunikations- und Entscheidungsmentalität.

Für Pharma 4.0 braucht es neben zusätzlichen Elementen in der ICH Q10 noch zwei weitere Ermöglicher, welche den Unternehmen den Schritt in die Zukunft zulassen.

Zum einen handelt es sich hierbei um die digitale Reife (digital maturity), welche es den Unternehmen ermöglicht, eine datengestützte und agile Organisation zu werden. Die digitale Reife wird erlangt, wenn das Unternehmen sichtbare und transparente Daten aufweist und basierend darauf in Echt-Zeit Vorhersagen und Anpassungen treffen kann. Neue Technologien, wie virtuelle oder erweiterte Realität, 3D Drucker, Blockchain und andere können dies ermöglichen.

Zum anderen spielt die Datenintegrität nach Design eine zentrale Rolle. Bei Pharma 4.0 geht der Datenfluss in alle erdenklichen Richtungen. Und gerade die Aufgabe, die Integrität dieser Daten zu wahren, stellt eine große Herausforderung dar. Dazu sind die Datenflüsse alle klar zu definieren und in Flussdiagrammen darzustellen. Insbesondere für Unternehmen, welche bis dahin hauptsächlich ohne IT-Systeme gearbeitet haben, ist es unerlässlich, die Prozessabläufe erst zu analysieren und zu verstehen, bevor die elektronischen Abläufe basierend auf diesen Informationen programmiert werden (Binggeli et al., 2018).

Konsequenzen für das Labormanagement

Durch die Digitalisierung entsteht für die Pharmaindustrie großes Potential, sicherer, transparenter und agiler produzieren zu können. Damit dies möglich sein kann, ist das regulatorische Umfeld jedoch entsprechend anzupassen. Gerade auch die für die Branche unverzichtbaren Labore sind in ihrer Arbeit davon besonders betroffen. Jedoch ist die Entwicklung der Labor IT der letzten Jahre die Basis der Digitalisierung im Labor.

Wesentliches Element einer erfolgreichen Umsetzung der neuen Möglichkeiten ist der Einsatz von Lean Management. Auch wenn das Konzept ursprünglich aus der Automobilindustrie stammt, so lässt sich auch für das Labormanagement nutzen. Lesen Sie dazu den Beitrag Lean Management im Labor. Und erhalten Sie dort auch das kostenlose ebook von Martina Hufschmid zum Thema.

Verwendete Quellen für den Text zum Labormanagement

Binggeli, L., Heesakkers, H., Woelbeling, C. and Zimmer, T. (2018), “PHARMA 4.0: Hype or Reality?”, available at: https://ispe.org/pharmaceutical-engineering/july-august-2018/pharma-40-hype-or-reality (accessed 24 January 2020).

Frost & Sullivan (2017), “Manufacturing 4.0. A Playbook for Navigating the Journey to IT Modernization & Transformation”, White Paper.

Guilfoyle, P. (2018), “Pharma 4.0: Industry 4.0 Applied to Pharmaceutical Manufacturing”, Pharmaceutical Processing World.

Saleh, I., Ammi, M. and Szoniecky, S. (Eds.) (2018), Challenges of the internet of things: Technique, use, ethics, Computer engineering series, Wiley-ISTE, Hoboken, NJ.

Zuletzt aktualisiert am 17. Januar 2024